Von: Dr. Bert Howald 20. Januar 2022

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald berichtet über eine wegweisende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Eingruppierung von Bereichs- und Abteilungsleiterinnen in der Pflege (BAG v. 17.11.2021 – 4 ABR 1/21).

Worum ging es in diesem Fall?
Einrichtungen des Deutschen Caritasverbands wenden regelmäßig die für sie geltenden Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR Caritas) an. In Anlage 31 zu den AVR Caritas sind Eingruppierungsregelungen für Mitarbeiter im Pflegedienst in Krankenhäusern geregelt. Im Zuge der Einführung einer neuen Entgeltordnung im Bereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (kommunale Arbeitgeber) haben auch karitative bzw. kirchliche Arbeitgeber und Universitätsklinika ihre Eingruppierungsregelungen für den Pflegebereich angepasst. Unter anderem wurden dadurch neue „P“-Entgeltgruppen geschaffen.

In dem hier interessierenden Fall beantragt der Arbeitgeber B, ein Krankenhaus mit ca. 370 Mitarbeitenden, bei dem bei ihm bestehenden Betriebsrat die Eingruppierung des Mitarbeiters A. Dieser soll die Aufgabe einer „Stationsleitung 4A/4B/4C“ übernehmen. Der Arbeitgeber B meint, damit müsse A in die Entgeltgruppe P 13 der Anlage 31 eingruppiert werden, weil er eine „große“ Station leite. A’s Aufgaben (Koordination der pflegerischen Aufgaben und Dienstplangestaltung), seien typisch für eine „Stationsleitung“. Der Betriebsrat verweigert die Zustimmung zur Eingruppierung. Er meint, A übernehme ja die Leitung eines „Bereichs“ bzw. einer „Abteilung“ im Sinne der Entgeltgruppe P 14, so dass er höher eingruppiert sei.

A soll für die vierte Etage mit insgesamt 57 Betten zuständig sein, die sich in drei Pflegebereiche gliedert (internistischer Bereich mit 10,91 Mitarbeitenden, interdisziplinärer Bereich und Privatpatientenbereich mit jeweils 8,29 unterstellten Mitarbeitenden, die bei Bedarf auch in den jeweils anderen Bereichen eingesetzt werden; außerdem werden in allen Bereichen noch diverse Leihkräfte eingesetzt).

Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 17.11.2021 – gerichtl. Aktenzeichen: 4 ABR 1/21

Wie entscheidet das Bundesarbeitsgericht?
Das Bundesarbeitsgericht verweist die Sache zur nochmaligen Anhörung bzw. Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht zurück. Es fehle an wesentlichen Grundlagen für die Beurteilung, ob A „nur“ eine große Station leite.

Das Bundesarbeitsgericht stellt fest, dass A mindestens eine große Station leite und daher auch mindestens der Entgeltgruppe P 13 AVR Caritas zuzuordnen sei.

Es müsse aber noch einmal geprüft werden, ob A dem in Entgeltgruppe P 14 AVR Caritas vorgesehenen Regelfall unterfalle, ob es also in seinem Leitungsbereich mehrere Stationen mit jeweils eigener Stationsleitung gibt, die ihm unterstellt sind.

Mitarbeiter in der Pflege leiteten im Regelfall einen „Bereich“ oder eine „Abteilung“ im Sinne von Entgeltgruppe P 14, wenn ihnen „mehrere Stationen mit eigenen Stationsleitungen fachlich unterstellt“ seien. Aus dem Begriff „in der Regel“ werde aber deutlich, dass im Ausnahmefall auch andere Faktoren für die Bewertung maßgeblich sein könnten, ob ein Bereich oder eine Abteilung geleitet wird.

Dafür, dass die drei unterschiedlichen Pflegebereiche in der vierten Etage organisatorisch getrennte Stationen seien, gebe es Anhaltspunkte. Sie seien räumlich voneinander getrennt und verfügten jeweils über ein eigenes Arzt- und Behandlungszimmer. Ebenfalls seien die Pflegebereiche unterschiedlichen ärztlichen Disziplinen zugeordnet (einerseits Innere Medizin, andererseits interdisziplinär). Für die Annahme organisatorisch getrennter Stationen spreche weiterhin, dass die jeweiligen Mitarbeitenden grundsätzlich den Bereichen zugeordnet seien und jeweils eigene Dienstpläne erstellt würden. Daran ändere nichts, dass sie ggf. auch übergreifend eingesetzt würden. Die Zuordnung der Pflegehilfsmittel scheine hingegen eher nachrangig und könne den räumlichen Gegebenheiten geschuldet sein. Weitere Feststellungen zu den Organisationsstrukturen und den Abläufen seien nicht getroffen.

Auch wenn man aufgrund dieser Umstände vom Bestehen von zwei oder drei organisatorisch getrennten Stationen ausgehe, müsse noch aufgeklärt werden, ob diese jeweils über eine eigene Stationsleitung verfügten. Insbesondere müsse geklärt werden, ob es noch eine Gruppen- oder Teamleitung gebe. Dem A seien maximal etwa 38 vollzeitäquivalente Mitarbeitende unterstellt, was eher für die Leitung einer großen Station spreche. Dafür, dass die Qualität der Leitungsaufgaben des A diejenigen der Leitung einer großen Station übersteige, könnte im Rahmen einer Gesamtwertung sprechen, dass die Bereiche jeweils unterschiedliche medizinische Fachgebiete beträfen und jedenfalls die Privatstation wohl anders organisiert und strukturiert sei als die „Normalstationen“. Dies bedürfe aber weiterer Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht.

Auswirkungen auf die Praxis:
Die Entscheidung dürfte weitgehend auf den Bereich des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes der Kommunen übertragbar sein. Zum Begriff der Leitung von „großen Stationen“ im Bereich des öffentlichen Dienstes der Kommunen hat das Bundesarbeitsgericht bereits in der Entscheidung BAG, Urt. v. 13.5.2020 – 4 AZR 173/19 Stellung genommen. Der Begriff der Stationsleitung wird in der Entscheidung BAG v. 29.01.2020 – 4 ABR 8/18 näher beleuchtet. Stationsleitungen koordinieren die pflegerischen Aufgaben der Station und üben insoweit Leitungsaufgaben gegenüber den fachlich unterstellten Beschäftigten aus. Darüber hinaus wirken sie bei der Betriebsführung der Station mit. Die Übertragung der organisatorischen Gesamtzuständigkeit mit einer Alleinverantwortung für alle anfallenden Aufgaben ist tariflich nicht erforderlich.

Dr. Bert Howald
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart

Kategorie: Arbeitsrecht