Die Kündigung wegen Eigenbedarfs stellt in der Praxis nach wie vor eine der häufigsten Kündigungsarten dar. Schon vor Jahren hat der BGH dazu vorgegeben, dass Gerichte nicht die Angemessenheit der Eigenbedarfsgründe prüfen dürfen, sondern nur, ob ein Missbrauch eines Kündigungsrechts vorliegt.
Der vorgetäuschte Eigenbedarf als Kündigungsgrund kann dabei nicht nur erhebliche Schadensersatzansprüche begründen, sondern auch eine strafrechtliche Relevanz haben, wie eine aktuelle Entscheidung aus Hamburg dokumentiert.
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hat entschieden (Urteil vom 29.05.2024 – 412 Ds 25/23), dass eine Vermieterin sich strafbar macht, wenn sie nicht über den Wegfall des geltend gemachten Eigenbedarfs aufklärt. Dies stellt einen Betrug durch Unterlassen dar. Im vorliegenden Fall hat das Gericht dabei sogar entschieden, den Verkaufsgewinn von der Vermieterin einzuziehen (einen wohl sechst-stelligen Betrag!). Dieser berechnete sich aus der Differenz daraus, dass das Einfamilienhaus nach erfolgreicher Räumung zu einem deutlich höheren Preis verkauft worden war als vor der Kündigung.
Hintergrund:
Die in der Schweiz wohnende Vermieterin hatte ursprünglich geplant, mit ihrem Partner in das Einfamilienhaus einzuziehen. Auf dieser Grundlage hatte sie eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen. Der Eigenbedarf fiel weg, als das Paar sich trennte. Hier hatte die Vermieterin bereits Räumungsklage erhoben. Die Kündigungsfrist war abgelaufen.
Zivilrechtlich hat der BGH in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Wegfall des Eigenbedarfs nach Ablauf der Kündigungsfrist keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Kündigung hat (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 09.11. 2005 – VIII ZR 339/04).
Strafrechtlich stellt sich das Gericht aber auf den Standpunkt, dass eine Hinweispflicht zum Wegfall des Eigenbedarfs dennoch besteht, und zwar nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sondern bis zum Auszug des Mieters. Das Amtsgericht stellt dabei auf eine frühere Entscheidung des BayObLG aus 1987 ab.
Die Vermieterin hätte vorliegend also auch im laufenden Räumungsverfahren die Mieter darüber informieren müssen, dass sie sich von ihrem Partner getrennt hatte und deshalb kein Eigenbedarf mehr an dem Haus bestand. Da sie dies nicht getan hatte, hat das Amtsgericht sie wegen Betrug durch Unterlassen (§§ 263, 13 StGB) verurteilt.
Praxishinweis:
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung ist anhängig beim Landgericht Hamburg (Aktenzeichen 708 NBs 57/24).
Es wird sich zeigen, ob es sich durchsetzen wird, die Aufklärungspflicht zum Wegfall des Eigenbedarfs strafrechtlich anders zu beurteilen als zivilrechtlich.
Der sicherste Weg dürfte aktuell jedoch sein, bei Wegfall des Eigenbedarfs unverzüglich den Mieter darüber zu informieren und die Prozessführung im Räumungsverfahren entsprechend anzupassen.
Mirco Bunzel
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
Gaßmann und Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart