Von: Dr. Bert Howald 16. November 2023

Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 28.09.2023 – gerichtliches Aktenz.: 5 Sa 15/23) zu befassen.

Worum ging es in dem Fall?

In diesem Fall hatte eine als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft (A) bei einer ambulanten Pflege auf Nachzahlung weiteren Gehalts geklagt. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis gekündigt und von A die Rückzahlung des Bruttolohns für 300,75 Arbeitsstunden im Home-Office verlangt, insgesamt waren dies mehr als 7.000,00 €. Die A hatte ihre Arbeitszeiten aufgrund der betrieblichen Vorgaben in einer Tabelle erfasst, dort sind auch Arbeiten im Betrieb und Home Office-Tätigkeiten getrennt ausgewiesen.
Der Arbeitgeber wirft der A vor, sie habe Home-Office-Arbeitszeiten von insgesamt 300,75 Stunden angegeben, ohne einen Arbeitsnachweis hierfür vorzulegen, sie habe weder Änderungen an den Qualitätshandbüchern vorgenommen noch gebe es sonstige Ausarbeitungen oder Arbeitsdokumente. Er gehe deshalb davon aus, dass A in dieser Zeit keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe. Das Geld müsse sie daher zurückzahlen.
A verteidigt sich im Prozess damit, dass sie unter anderem im Home Office Emails geschrieben habe. Sie habe bspw. mit dem Arbeitgeber kommuniziert, zu verschiedenen Themen Fragen gestellt, von ihr bearbeitete Dokumente übersandt und den baldigen Abschluss der Aufgabe Qualitätshandbuch angekündigt. Sie berichtet in Emails auch darüber, dass sie verschiedene Gespräche mit Mitarbeiterinnen geführt habe und wie diese verlaufen seien.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht sieht keinen Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung von Lohn. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfalle, wenn und soweit er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht nachkomme, es sei denn, die Vergütung sei aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es gelte also der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Der Arbeitgeber habe aber nicht dargelegt, in welchem Umfang A die Arbeitsleistung nicht im Home Office erbracht habe. Grundsätzlich trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt habe. Dies gelte auch bei Arbeitsleistungen im Home Office. Der Arbeitgeber habe hier weder eine Nichtleistung im Umfang von 300,75 Stunden noch in geringerer Anzahl belegt. Die Klägerin habe im Home-Office verschiedene Arbeitsleistungen erbracht, was sich insbesondere aus E-Mails ergebe. Soweit den E-Mails Anlagen beigefügt waren, lassen diese auf weitere vorangegangene Arbeitsleistungen schließen.
Die A habe zwar keine komplette und abschließend überarbeitete Fassung des Qualitätshandbuchs übersandt. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass sie im Home-Office überhaupt nicht gearbeitet habe. Unerheblich sei, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt habe. Ein Arbeitnehmer genüge seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeite.
Der Arbeitgeber könne daher auch keinen Schadensersatz verlangen, da ein Schaden nicht nachgewiesen sei.

Auf was müssen sich Beschäftigte im Home Office nun einstellen?

Eine Welle von Rückzahlungsforderungen auf Beschäftigte im Home Office wird es nicht geben.
Beschäftigte müssen auch nicht befürchten, dass sie für alle dokumentierten Arbeitszeiten im Home Office Belege dafür „sammeln“ müssen, dass sie auch tatsächlich gearbeitet haben. Die Tatsache, dass kein messbares Arbeitsergebnis für bestimmte Zeiten vorliegt, heißt nicht sofort, dass in dieser Zeit nicht gearbeitet wurde. Für Beschäftigte im Home Office gilt das Gleiche wie im Betrieb: Sie müssen zu den vereinbarten Arbeitszeiten eine Arbeitsleistung erbringen. Dabei gilt der sogenannte subjektive Leistungsbegriff, der oft so beschrieben wird: „Beschäftigte müssen tun, was sie sollen, und zwar so gut, wie sie können.“ Ein verständiger Arbeitgeber wird hier nicht verlangen, dass die Arbeitszeitaufzeichnung für kurze Unterbrechungen (Paketzusteller klingelt, Handwerker steht vor der Tür, Kaffee wird nachgefüllt etc.) angehalten wird; aber man sollte sich mit den betrieblichen Regeln und Anweisungen des Arbeitgebers vertraut machen.
Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass sich Arbeitgeber bei einer streitigen Auseinandersetzung mit Beschäftigten im Kündigungsfall näher anschauen, was denn der oder die Beschäftigte im Home Office tatsächlich an Arbeitsergebnissen geliefert hat. Arbeitgeber können Beschäftigte aber nicht unter einen „Generalverdacht“ stellen, auch wenn Zweifel daran bestehen, ob im Home Office so viel geleistet wird wie vor Ort im Betrieb.
Diese Zweifel sind oft unberechtigt: So haben in der Pandemie verschiedene Befragungen und Untersuchungen ergeben, dass die Produktivität im Home Office in der Regel gerade nicht niedriger, sondern im Gegenteil höher liegt. Anders dürfte es aussehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Arbeitszeitbetrug vorliegen.

Dr. Bert Howald
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart

Kategorie: Allgemein