Was war geschehen?
Die Kündigungsschutzklage hat der Arbeitnehmer gewonnen. Häufig ist damit der Kündigungsschutzprozess aber nicht abgeschlossen, der Arbeitgeber möchte das Urteil des Arbeitsgerichts in der nächsthöheren Instanz beim Landesarbeitsgericht überprüfen lassen.
Der Arbeitgeber soll den Arbeitnehmer aber erst einmal wieder beschäftigen. Dazu hat der Anwalt des Arbeitnehmers einen sogenannten „Weiterbeschäftigungsantrag“ im Rahmen der Kündigungsschutzklage gestellt. Ein solcher Antrag ist darauf gestützt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren nach gewonnener 1. Instanz beschäftigen soll.
Wenn der Arbeitgeber sich weigert, dies zu tun, muss das Urteil des Arbeitsgerichts eventuell zwangsweise durchgesetzt werden. Gesprochen wird dann von der „Zwangsvollstreckung“, die es nicht nur für Geldforderungen gibt, sondern eben auch für die Vornahme tatsächlicher Handlungen wie die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb.
Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer kann mit den Mitteln des gerichtlichen Zwangs erreichen, dass er wieder an seinen Arbeitsplatz gelassen wird.
Ein Arbeitgeber versuchte dies im Verfahren der Zwangsvollstreckung zu verhindern. Es kam zu einem Rechtsstreit über die Frage, ob es dem Arbeitgeber während der Corona-Krise eventuell gar nicht möglich sei, den Arbeitnehmer tatsächlich im Betrieb mit Arbeit zu versorgen.
Im Ergebnis hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg.
Der Arbeitgeber betreibt eine Fluggesellschaft. Der Arbeitnehmer hatte im Kündigungsrechtsstreit eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Traffic Agent erwirkt. Nachdem der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aber tatsächlich nicht beschäftigt wurde, stellte diese einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes. Der Arbeitnehmer wurde daraufhin zu 50 % tatsächlich beschäftigt unter Verweis auf eine aktuelle Betriebsvereinbarung Kurzarbeit. Der Arbeitgeber verteidigt sich im Zwangsvollstreckungsverfahren damit, er habe den Arbeitnehmer nicht sofort beschäftigen können, weil der operative Betrieb am Flughafen bekanntermaßen wegen der Coronakrise praktisch zum Erliegen gekommen sei. Dies sei auch dem Arbeitnehmer bekannt gewesen.
Grundsätzlich könne der Arbeitgeber im Vollstreckungsverfahren geltend machen, dass die tatsächliche Beschäftigung unmöglich sei. Für die Unmöglichkeit trage er nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe nicht hinreichend dargelegt, dass ihm die Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich gewesen sei. Ein allgemeiner Hinweis auf die Corona-Pandemie genüge hierfür nicht. Es seien auch nicht sämtliche Flugbewegungen zum Erliegen gekommen. Es fehle konkreter Vortrag im Hinblick auf die Auswirkungen auf den konkreten Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und den eventuellen Rückgang des konkreten Beschäftigungsbedarfs infolge des Pandemiegeschehens.
Landesarbeitsgericht Hessen, Beschluss vom 14.01.2021, gerichtliches Aktenzeichen: 10 Ta 357/20
Auswirkungen auf die Praxis:
Es dürfte nur sehr wenige Ausnahmefälle geben, in denen ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach gewonnenen Kündigungsschutzprozess nicht mehr beschäftigen kann. Behauptet der Arbeitgeber lediglich pauschal, er könne den Arbeitnehmer wegen der Corona-Krise nicht mehr beschäftigen, bedeutet dies ein Risiko in Bezug auf die Kosten der Zwangsvollstreckung und die mögliche Verhängung von Zwangsgeldern.
Dr. Bert HowaldRechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart