Die Entscheidung:
Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 12.10.2023 klargestellt, dass E-Bikes, die ohne Treten nur auf 20 km/h beschleunigt werden können, nicht als Kraftfahrzeuge anzusehen sind.
Ausgangslage war ein Verkehrsunfall in Belgien. Nach belgischem Recht ist ein „schwacher Verkehrsteilnehmer“ somit auch ein Radfahrer im Rahmen der Entschädigung privilegiert, jedoch nicht der Fahrer eines Kraftfahrzeuges.
Ein belgisches Gericht hatte diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Der Europäische Gerichtshof argumentierte dahingehend, dass Fahrräder mit Elektro-Unterstützung nicht geeignet seien vergleichbare Schäden wie maschinell angetriebene Fahrzeuge zu verursachen.
Bedeutung für die Praxis:
Die Einordnung eines E-Bike als Kraftfahrzeug oder als Fahrrad spielt in zweierlei Hinsicht in Deutschland eine Rolle.
Zum einen im Zivilverfahren, wenn es um Schadensersatzansprüche geht. Ein Kraftfahrzeug haftet aufgrund einer zugrunde zu legenden Betriebsgefahr ggf. auch verschuldensunabhängig, während es bei einem Fahrrad keine Betriebsgefahr und somit keine verschuldensunabhängige Haftung gibt.
Zum anderen führt ein Fehlverhalten (zum Beispiel Fahren mit Alkohol) bei einem Fahrrad unter anderen Voraussetzungen zu einer Strafbarkeit. Ferner sind die Strafen / Sanktionen bei Verstößen mit einem Kraftfahrzeug einschneidender als bei Delikten, die mit dem Fahrrad begangen werden.
Ausblick:
Spätestens zum Jahresbeginn 2024 wird Klarheit bestehen. Für diese Klarheit sorgt eine Änderung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs-Richtlinie. Dort wird ausdrücklich bestimmt, dass ein Fahrzeug im Sinne dieser Richtlinie nur ein Kraftfahrzeug ist, welches ausschließlich maschinell angetrieben wird.
In diesem Zusammenhang Folgendes:
Im Gegensatz zum E-Bike wird ein E-Scooter überwiegend als Kraftfahrzeug behandelt. Dies führt nach gegenwärtig überwiegender Rechtsprechung dazu, dass für einen E-Scooter die gleichen Promillegrenzen gelten wie für einen Pkw- oder Lkw-Fahrer. Einem Pkw- oder einem Lkw-Fahrer wird bei den entsprechenden Promillezahlen in der Regel die Fahrerlaubnis entzogen. Bis dato war dies auch bei alkoholisierten E-Scooter Fahrern der Fall. Zwischenzeitlich bewegen sich Teile der Rechtsprechung dahingehend, dass zumindest unter gewissen Umständen (z.B. kurze Fahrtstrecke / wenig Verkehr zur Nachtzeit etc.) zwar eine Verurteilung wegen eines Trunkenheitsdelikts erfolgt, die Fahrerlaubnis jedoch nicht entzogen wird. Hier bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber ggf. regulierend eingreift. Einstweilen besteht (je nach Tatort und zuständigem Gericht) die Möglichkeit durch anwaltliche Unterstützung eine Entziehung der Fahrerlaubnis zu verhindern.
Peter Walter
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart