Von: Dr. Ralf Baur 25. April 2025

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in seinem Urteil vom 13.12.2023 (5 AZR 137/23) mit der Frage zu befassen, ob ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Arbeitgeberkündigung und einer daraufhin eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Beweiswert dieser Bescheinigung erschüttern kann. Grundsätzlich können Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen. Diese entfaltet einen hohen Beweiswert, d. h., sie belegt grundsätzlich das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert jedoch erschüttern, wenn ernsthafte Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestehen.

Was war geschehen?

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der klagende Arbeitnehmer legte seinem Arbeitgeber am 02.05.2022 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 02.05.2022 bis zum 06.05.2022 vor. Am 03.05.2022 erhielt er ein Kündigungsschreiben, das das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2022 beendete. In der Folgezeit reichte der Arbeitnehmer zwei Folgebescheinigungen ein, die eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bescheinigten. Am 01.06.2022 nahm er ein neues Arbeitsverhältnis auf.

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, dass die Arbeitsunfähigkeit– insbesondere die Folgebescheinigungen – ihren Beweiswert verloren hätten, da die Arbeitsunfähigkeit exakt der Kündigungsfrist entsprach und der Arbeitnehmer unmittelbar danach wieder arbeitsfähig war.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Das BAG gab dem Arbeitgeber teilweise Recht: Während die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheini¬gung noch als ausreichend belegt angesehen wurde, erachtete es die beiden Folgebescheinigun¬gen als nicht hinreichend beweiskräftig. Es stellte klar, dass ein auffälliger zeitlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankmeldung ein Indiz für eine Erschütterung des Beweiswertes sein kann. In solchen Fällen trifft den Arbeitnehmer die volle Beweislast für das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit. In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer im Rahmen einer gesteigerten Darlegungslast weitere Beweise vorlegen, um seine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Dazu kann beispielsweise die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht und dessen Vernehmung als Zeuge gehören.

Praxis-Hinweis:

Arbeitgeber sollten bei auffälligem Zusammenhang zwischen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit prüfen, ob eine Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründbar ist.

Wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, kann die Entgeltfortzahlung zunächst verweigert werden. Der Arbeitnehmer ist dann in der Pflicht, seine Krankheit weitergehend zu belegen.

Arbeitgeber sollten dennoch vorsichtig vorgehen und sich bei Zweifeln rechtlichen Rat einholen, um arbeitsrechtliche Streitigkeiten zu vermeiden.

Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass eine länger andauernde Krankmeldung unmittelbar nach einer Kündigung zu Beweisproblemen führen kann.

Ist eine Krankmeldung notwendig, sollte sie sorgfältig dokumentiert und im Zweifel durch weitere Nachweise, wie etwa eine ärztliche Stellungnahme, gestützt werden.

Bei einer verweigerten Entgeltfortzahlung kann es sinnvoll sein, einen im Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt konsultieren.

Dr. Ralf Baur
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwällte PartmbB, Stuttgart

Kategorie: Allgemein