Von: Peter Walter 5. Juni 2025

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 28.01.2025 – VI. ZR 300/24 über folgenden Sachverhalt entschieden:

Der Kläger verlangt für sein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Fahrzeug Schadensersatz. Er will fiktiv abrechnen.

D. h.:

Er will die Reparaturkosten erstattet erhalten, die ein von ihm beauftragter Sachverständiger in einem Gutachten ermittelte. Tatsächlich ließ er das Fahrzeug in der Türkei vollständig sach- und fachgerecht reparieren. Zu den dabei entstandenen Kosten machte der Kläger keine Angaben. Aus diesem Grund hatte das zunächst befasste Amtsgericht die Klage abgewiesen, ehe das Berufungsgericht der Klage stattgab.

Der Bundesgerichtshof stellte nunmehr fest:

Ein Geschädigter der fiktiv abrechnet (somit auf Basis eines Gutachtens oder eines Kostenvoranschlages) muss nicht mitteilen, welche Kosten tatsächlich im Rahmen der Reparatur angefallen sind. Er muss nicht einmal mitteilen, ob er seinen Unfallwagen hat reparieren lassen. Der Geschädigte macht bei einer fiktiven Abrechnung – so der Bundesgerichtshof – nicht die tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten geltend, sondern die zur Herstellung (grundsätzlich) erforderlichen Kosten. Bei der Ermittlung der fiktiven Reparaturkosten sind Gesichtspunkte, die eine tatsächlich durchgeführte Reparatur betreffen, grundsätzlich irrelevant.

Bedeutung der Entscheidung:

Grundsätzlich kann ein Geschädigter entweder fiktiv abrechnen (auf Basis eines Sachverständigengutachtens) oder konkret (auf Basis einer in der Regel nach der Begutachtung sich anschließenden Reparatur unter Vorlage einer Reparaturrechnung).

Der Geschädigte kann auch einen Wechsel der Abrechnungsarten vornehmen. Er kann zunächst fiktiv abrechnen, ehe er nach erfolgter Reparatur konkret abrechnet.

Versicherer versuchen dann, wenn sie den Eindruck haben, dass die Reparatur tatsächlich billiger war als erwartet, Informationen über die tatsächlichen Kosten zu erhalten. Wenn sie diese Informationen erhalten, sind sie verwertbar. Wenn dem Versicherer die Rechnung vorgelegt wird, die einen geringeren Betrag ausweist als vorher kalkuliert wurde, so muss der Versicherer nur den geringeren Betrag bezahlen.

Von daher ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wichtig. Sie stärkt die Rechte des Geschädigten, wenn dieser fiktiv abrechnen möchte. Der Geschädigte muss keine Angaben machen. Er muss eine Reparaturrechnung nicht vorlegen. Die Möglichkeit der fiktiven Abrechnung wird durch den Bundesgerichtshof gestärkt.

Allerdings kann ein Kfz-Haftpflichtversicherer im Rahmen der fiktiven Abrechnung Kürzungen vornehmen, die ihm bei einer konkreten Abrechnung verwehrt sind. So verweist ein Kfz-Haftpflichtversicherer in der Regel auf billigere Werkstätte und legt deren billigere Vergütung zu Grunde, was unter gewissen Voraussetzungen auch rechtmäßig ist. Von daher sollte frühzeitig nach dem Unfall ein Anwalt konsultiert werden, damit auf Basis eines einzuholenden Gutachtens dann besprochen und entschieden werden kann, welche Vorgehensweise, die wirtschaftlich sinnvollste ist. Die Anwaltskosten muss der Kfz-Haftpflichtversicherer dem Geschädigten erstatten, sofern er für das Unfallereignis verantwortlich ist.

Peter Walter
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht

Kategorie: Allgemein