Mit Urteil vom 06.04.2023 hat das OLG Hamburg (Urt. v. 6.4.2023 – Aktenzeichen 15 U 96/21) sich umfangreich dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen eine GdWE (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) in Versorgungsverträge des Bauträgers eintritt und im konkreten Fall diese Voraussetzungen verneint.
Die Entscheidung:
Das OLG Hamburg hat im vorliegenden Fall entschieden, dass weder die einzelnen Wohnungserwerber, noch die Gemeinschaft in das Vertragsverhältnis mit dem Versorgungsunternehmen eingetreten sind. Dabei war eine entsprechende Übernahme vorgesehen gewesen sowohl in den jeweiligen Kaufverträgen der Wohnungseigentümer mit dem Bauträger, als auch in der Teilungserklärung. Auch ein konkludenter Vertragsschluss (also ein Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten) durch den Betrieb der Heizungsanlage kam nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht.
Insgesamt kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Überleitung des Versorgungsvertrags vom Bauträger auf die Gemeinschaft nicht stattgefunden hat.
Bedeutung für die Praxis:
Die Entscheidung betrifft ein in der Praxis typisches Problem:
Der Bauträger schließt im Zuge der Gebäudeerstellung vor Übergabe der ersten Wohnung häufig bereits Verträge mit Dritten, z.B. dem Versorgungsunternehmen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es noch keine Gemeinschaft, die solche Verträge schließen kann.
Der Bauträger hat naturgemäß das Interesse, möglichst schnell nicht mehr Vertragspartner für Leistungen zu sein, die das fertiggestellte Gebäude betreffen.
In der Praxis wird deshalb häufig mit Übernahmepflichten der Wohnungskäufer gearbeitet, die sich bereits im Kaufvertrag mit dem Bauträger verpflichten, den Vertrag mit dem Versorgungsunternehmen zu übernehmen. Gleichzeitig wird in der Regel auch ein ähnlicher Passus in die Teilungserklärung mit aufgenommen.
Das OLG Hamburg stellt in seiner Entscheidung (allerdings zum alten Recht vor der WEG-Reform 2020) dar, unter welchen Voraussetzungen eine Vertragsüberleitung tatsächlich stattfindet.
Die Ausführungen des Gerichts zeigen, dass hier kein Automatismus herrscht und nicht jede Gestaltung im Kaufvertrag und der Teilungserklärung ohne Weiteres dazu führt, dass die neu gegründete Wohnungseigentümergemeinschaft an Verträge gebunden ist, die der Bauträger im Vorfeld mit Dritten geschlossen hat.
Tipp:
Es handelt sich um eine komplexe Materie, die eine genaue und sorgfältige Prüfung erfordert. Gemeinschaften und Verwalter sind deshalb gut beraten, wenn sie in solchen Fällen fachanwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen, um untersuchen zu lassen, ob sie an (Vor-)Verträge des Bauträgers mit Dritten gebunden sind oder nicht.
Die GdWE kann unter Umständen ganz erhebliche Kosten sparen, wenn sie sich ihre Vertragspartner selbst auswählen kann und nicht an die Vertragspartner des Bauträgers gebunden ist.
Mirco Bunzel
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart