Das höchste bayerische Strafgericht hat mit Beschluss vom 02.05.2024 entschieden, dass gegenwärtig, jedenfalls bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung, der bis dato angewandte Grenzwert von 1,0 ng/ml THC Gültigkeit hat.
Hintergrund:
Wer unter Wirkung von Cannabis ein Fahrzeug führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 24a StVG. „Unter Wirkung“ im Sinne der Vorschrift wird seit 2002 ein sogenannter analytischer Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/ml THC angenommen. Von diesem Grenzwert an (so der Gedanke) besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass die Fahrtüchtigkeit des Betroffenen beeinträchtigt ist.
Zwischenzeitlich haben sich die Messmethoden verbessert und es gibt neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt zahlreiche Studien und Untersuchungen zu diesem Thema. Es gibt Empfehlungen von Experten. Diese halten einen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC für angemessen und zutreffend. Zudem wurde im Zusammenhang mit der „Legalisierung“ von Cannabis im Konsumcannabisgesetz geregelt, dass eine Expertenkommission bis 31.03.2024 einen neuen Grenzwert vorschlägt, was anschließend geschehen ist. Der Vorschlag sieht einen Grenzwert von 3,5 ng/ml vor.
Die Entscheidung:
Das Oberste Bayerische Strafgericht hat trotzdessen entschieden, dass der analytische Grenzwert gegenwärtig 1,0 ng/ml beträgt. Der Grenzwert sei – so das Gericht – keine wissenschaftliche, sondern eine rechtliche Vorgabe. Es bedarf aufgrund dessen einer gesetzlichen Änderung, die gegenwärtig nicht vorläge.
Bedeutung für die Praxis:
Der Bundestag hat am 06.06.2024 einen neuen Grenzwert beschlossen. Er hat sich der Empfehlung der Experten angeschlossen. Der neue Grenzwert soll nach dem Beschluss des Bundestages 3,5 ng/ml betragen. Dieses Gesetz muss jedoch noch den Bundesrat passieren. Es wird davon ausgegangen, dass dies im Juli geschieht und das Gesetz alsbald in Kraft tritt. Von daher dürfte sich das vom Obersten Bayerischen Strafgericht entschiedene Problem im Kürze erledigen. Das Urteil aus Bayern stößt im Übrigen auch bei Richtern auf Kritik. Ein Stuttgarter Amtsrichter hat sich in einer Fachzeitschrift mit dem Urteil befasst und kundgetan, dass er die Situation anders bewertet. Seiner Meinung nach sei es richtig, auch schon vor der Gesetzesänderung den wissenschaftlich belegten Grenzwert von 3,5 ng/ml anzuwenden. Er empfiehlt, dass man Fälle, in denen 3,5 ng/ml nicht erreicht worden sind, gegenwärtig nicht entscheidet. Betroffene, die schon vor der wohl kommenden Gesetzesänderungen mit einem Wert unterhalb des vermutlich neuen Grenzwertes (3,5 ng/ml) erwischt werden, sollten anwaltlich Rat einholen und anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Peter Walter
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart