Von: Peter Walter 29. November 2022

Die Entscheidung:

Das OLG Karlsruhe hat am 07.12.2021 – 9 U 97/19 – entschieden, dass ein Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer, dem er eine Rürup-Rente vermitteln möchte, ungefragt darüber aufklären muss, dass – anders als bei den meisten anderen Rentenversicherungsverträgen – eine vorzeitige Auszahlung aus dem angesammelten Kapital (Rückkaufswert) nicht möglich ist. Da im Beratungsprotokoll eine solche Aufklärung nicht notiert war, muss der Versicherungsvertreter – in Umkehr der Beweislast – beweisen, dass er den Versicherungsnehmer darüber aufklärte. Diesen Beweis konnte der Versicherungsvertreter nicht führen, weswegen er und der Versicherer, für den er arbeitet, dem Versicherungsnehmer sämtliche Versicherungsprämien, die dieser während der Laufzeit des Vertrages bezahlte, zurückbezahlen müssen.

Auswirkungen auf die Praxis:

Bei einer in „normalen“ Lebensversicherung hat der Versicherungsnehmer dann, wenn er den Vertrag vorzeitig kündigt, einen Anspruch auf einen sogenannten Rückkaufswert. Die Kündigung ist in der Regel wirtschaftlich nachteilig, führt jedoch dazu, dass der Versicherungsnehmer Geld erhält. Bei der sogenannten Rürup-Rente gibt es aufgrund der Besonderheiten des Produkts (steuerliche Vergünstigungen) keinen Anspruch auf einen Rückkaufswert. Das OLG Karlsruhe hat verdeutlicht, dass der Versicherungsvertreter selbst dann, wenn sich der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss danach überhaupt nicht erkundigt, von sich aus hinweisen muss. Ansonsten begeht er eine Pflichtverletzung, die Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Das OLG Karlsruhe hat auch nochmals bekräftigt, dass dann, wenn von einer Aufklärung im Beratungsprotokoll nicht notiert ist, sich die Beweislast umkehrt und der Versicherungsvertreter beweisen muss, dass er den Versicherungsnehmer aufgeklärt hat. Das dürfte in der Regel schwierig sein, weil der Versicherungsvertreter in der Regel alleine vor Ort beim Versicherungsnehmer ist.

Der Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers besteht in Höhe der Versicherungsprämien, die er während der gesamten Laufzeit des Vertrages einbezahlt hat. Das können – unter Berücksichtigung der maximalen Verjährungsfrist – bis zu 10 Jahre sein. Der Schadensersatzanspruch besteht – wenn der Versicherungsvertreter für den Versicherer arbeitet – sowohl gegen den Versicherungsvertreter als auch gegen den Versicherer.

Tipps:

Der fehlende Rückkaufswert ist bei Rürup-Renten immer ein Thema. Daneben ist jedoch häufig auch die Frage zu stellen, ob das Produkt Rürup-Rente für den Versicherungsnehmer überhaupt geeignet ist. In der Regel ist eine Eignung nur dann zu bejahen, wenn es sich um Selbstständige, Freiberufler oder sehr, sehr gut verdienende Angestellte handelt. Von daher sollten alle Rürup-Versicherten, die ihren Vertrag innerhalb der letzten 10 Jahre abgeschlossen haben, diesen hinterfragen und ggf. von einem Anwalt eine Prüfung vornehmen lassen.

Peter Walter
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart

Kategorie: Allgemein