Auch in dem Fall, dass die Mietparteien einen freiwilligen Mietaufhebungsvertrag schließen, kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, wenn nach der Kündigung wegen Eigenbedarfs die behauptete Nutzung nicht in die Tat umgesetzt wird.
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Berlin-Kreuzberg (Urteil vom 17.01.2023 – 13 C 104/22) hatte darüber zu entscheiden, wie damit umzugehen sei, wenn eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen wird, die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens dabei aber zweifelhaft ist.
Der Vermieter hatte die Mietwohnung für seinen Sohn gekündigt, der eigentlich in die Wohnung einziehen sollte. Die Parteien hatten daraufhin einen Mietaufhebungsvertrag geschlossen. Der Sohn zog danach aber nicht ein. Die Mieter unterstellten dem Vermieter deshalb eine nur vorgeschobene Eigenbedarfskündigung und machten Schadensersatz geltend.
Der Vermieter verteidigte seine Vorgehensweise damit, dass der Nutzungswille seines Sohnes anfänglich festgestanden habe. Später habe sich aber herausgestellt, dass der Sohn mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Nach Angaben des Vermieters handelt es sich bei dem Sohn um „eine komplexe Persönlichkeit, die einer gewissen Betreuung bedürfe“. Anfangs habe sich der Sohn sicher gefühlt, die Herausforderungen, die mit einer eigenständigen Lebensführung einhergehen, meistern zu können. Als der Einzugstermin näher gerückt sei, sei diese Zuversicht geschwunden. Deshalb sei der Sohn dann nicht eingezogen.
Das Amtsgericht hat dazu entschieden, dass sich der Vermieter schadensersatzpflichtig macht, wenn er vor Ausspruch der Kündigung versäumt, die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens zu ermitteln. Der Vermieter hätte den Nutzungswillen seines Sohnes genauer prüfen müssen, bevor die Eigenbedarfskündigung erfolgt.
Das Amtsgericht hat außerdem entschieden, dass der freiwillige Mietaufhebungsvertrag an der Haftung nichts ändert. Dies wäre nur anders, wenn der Mieter im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung oder später die Wohnung in jedem Fall – also völlig unabhängig von dem geltend gemachten Eigenbedarf – aufgeben wollte.
Praxishinweis:
Der Fall zeigt, dass eine Haftung wegen Eigenbedarf nicht nur dann in Betracht kommt, wenn der Vermieter vorsätzlich oder arglistig handelt. Auch fahrlässige Verhaltensweisen können zu Schadensersatz führen.
Schadensersatzansprüche der ausgezogenen Mieter kommen grundsätzlich in Betracht, wenn die behauptete Nutzung des Eigenbedarfs nicht in die Tat umgesetzt wird. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt in so einem Fall der Verdacht nahe, dass die Eigenbedarfskündigung nur vorgeschoben war. Der Vermieter muss dann substantiiert und plausibel/stimmig darlegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Daran sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 11.10.2016 – VIII ZR 300/15).
Der Umfang des Schadensersatzes kann dabei beträchtlich sein, wie der vorliegende Fall zeigt. Das Amtsgericht hatte die Vermieterseite dabei nicht nur zum Schadensersatz hinsichtlich der Rechtsanwalts– und Umzugskosten verurteilt. Als erstattungsfähig wurden auch die monatlichen Mietmehrbelastungen gesehen, also die Differenz zwischen der Miete der gekündigten Wohnung und der neuen Wohnung der Mieter.
Hier können schnell hohe Forderungen gegen den Vermieter entstehen.
Mirco Bunzel
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwällte PartmbB, Stuttgart