Der Sachverhalt:
Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte vor kurzem über einen skurrilen Sachverhalt zu entscheiden:
Ein Landwirt erwarb im Jahr 1994 von einer in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Bekannten deren Gastwirtschaft im Ort. Er führte diese Gastwirtschaft zunächst neben seiner Landwirtschaft und ab 2012 ausschließlich. Der Schankraum hinter der Theke wurde zu seinem Lieblingsplatz, in welchem er sich auch in seiner Freizeit aufzuhalten und für ihn bedeutsame Unterlagen aufzubewahren pflegte. Nach seinem Tod fanden sich dort neben Bierdeckeln, auf denen er den Gästen gestundete Zechen aufnotiert hatte, auf einem Notizzettel einer Brauerei auch die handschriftlichen Worte „BB kriegt alles“ mit Unterschrift und Datum. Mit „BB“ hatte der Erblasser dabei zu seinen Lebzeiten stets die Bekannte bezeichnet, von der er die Gastwirtschaft erworben hatte. Vor seinem Tode hatte der Erblasser sich außerdem einer anderen Bekannten gegenüber dahingehend anvertraut, dass er sich vermehrt Gedanken über seine Nachlassplanung gemacht habe. Die Bekannte „BB“ beantragte unter Vorlage des Notizzettels einen auf sie lautenden Alleinerbschein nach dem unverheiratet und kinderlos gebliebenen Erblasser. Gegen ihren Erbscheinsantrag wandten sich die Neffen und Nichten des Erblassers. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag von „BB“ zurück, dagegen ging diese in die Beschwerde. Das Oberlandesgericht Oldenburg gab der Beschwerde statt. Der Alleinerbschein sei zu erteilen, der Notizzettel sei ein wirksames Testament.
Die Entscheidung:
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg verdient Zustimmung.
Die Neffen und Nichten des Erblassers hatten zum einen behauptet, dass der Erblasser den Zettel gar nicht selbst geschrieben habe. Ihrer Ansicht nach handelte es sich um eine Fälschung.
Das Oberlandesgericht stellte hierzu zwar fest, dass derjenige, der sich auf ein Testament berufe, auch dessen Echtheit beweisen müsse. Diesen Beweis sah es jedoch im konkreten Fall als geführt an, die dagegen erhobenen Einwendungen allesamt als unerheblich.
Die Neffen und Nichten hatten daraufhin auch behauptet, dass der Notizzettel allenfalls als Testamentsentwurf gesehen werden dürfe, jedoch noch nicht als bereits verbindlich mit Testierwillen errichtetes Schriftstück. Auch damit drangen sie jedoch beim Oberlandesgericht Oldenburg nicht durch. Das Oberlandesgericht verwies zwar zu Recht darauf, dass an den Nachweis des Testierwillens gerade bei untypischen Testamentsformen strengere Anforderungen zu stellen sind. Auch diese sah es im vorliegenden Fall jedoch als erfüllt an. Der Erblasser habe sich zu der Zeit, als er den Notizzettel schrieb, nachweislich und intensiv mit der Regelung seines zukünftigen Nachlasses beschäftigt. Dafür, dass es sich bei dem Notizzettel um ein für den Erblasser wichtiges Schriftstück gehandelt habe, spreche auch und gerade, dass er dieses Schriftstück bei denjenigen Bierdeckeln aufbewahrt habe, die Auskunft über diejenigen Personen geben, die ihm noch etwas schuldeten. Das sei ein für den Erblasser wichtiger Platz gewesen.
Tipp:
Wir leben zwar in einer Zeit, in der immer weniger handschriftlich geschrieben wird. Dieser Umstand macht handschriftliche Notizen in Erbrechtsfällen allerdings immer bedeutsamer. Im vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall ließen die drei handschriftlichen Worte „BB kriegt alles“ zusammen mit einer Datumsangabe und einer Unterschrift die gesamte Verwandtschaft des Land- und Gastwirts leer ausgehen und machten seine Bekannte sozusagen zur lachenden Dritten. Es kann daher jedermann nur dringend angeraten werden, das von einer Person hinterlassene eigenhändige Schriftgut stets zur Gänze und sehr genau durchzusehen und keinesfalls vorschnell zu entsorgen. Zu groß erscheint die Gefahr, dass eine werthaltige Erbschaft ansonsten ungeplant „im Papierkorb“ landet. Der Sachverhalt und Fall zeigen außerdem, dass sich mit sachgerechter Vorgehensweise auch aus nur ganz wenigen niedergeschriebenen Worten unter Umständen Großes – nämlich eine Alleinerbschaft – für den eigenen Mandanten ableiten und durchsetzen lässt.
Der Unterzeichner erlebt es in seiner täglichen Praxis tatsächlich immer wieder, dass Mandanten die Bedeutung und Rechtswirkungen von von ihnen in den Unterlagen des Erblassers aufgefundenen handschriftlichen Notizen falsch, weil zu gering, einschätzen. Wohl dem, der den insoweit ihn aufsuchenden Mandanten eines Besseren belehren kann.
Michael Petermann
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart