Von: Jannis Wirth 2. Februar 2024

Aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2018 sahen sich viele selbständig Tätige mit hohen Nachforderungen der gesetzlichen Krankenkassen konfrontiert. Sofern keine private Krankenversicherung besteht, sind Selbständige in der Regel freiwillig in gesetzlichen Krankenkassen versichert.

Für diejenigen, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, erfolgt zunächst eine vorläufige Festsetzung der zu entrichtenden Beiträge. Die endgültige Festsetzung erfolgt erst nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide des jeweiligen Kalenderjahres.

Früher konnte die endgültige Festsetzung über viele Jahre hinausgezögert werden. Dies änderte sich jedoch infolge einer Neunormierung des § 240 SGB V im Jahr 2018. Der Gesetzgeber begrenzte den Zeitraum, in dem der Einkommensteuerbescheid vorgelegt werden musste, auf drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres.

Wenn beispielsweise bis zum 31.12.2022 kein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vorgelegt wurde, erfolgte eine Verbeitragung zum Höchstsatz. Dabei wurden Beiträge ungeachtet des tatsächlichen Einkommens auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt. Es wurde nicht geprüft, ob der vorzulegende Einkommensteuerbescheid bereits vorlag. Eine Korrekturmöglichkeit nach Vorlage des Bescheids war nicht vorgesehen.

Versicherte, deren Finanzämter großzügige Fristverlängerungen für die Vorlage der Einkommensteuererklärung eingeräumt hatten, standen vor dem Problem, dass ein noch nicht beantragter Steuerbescheid seitens der Krankenkasse angefordert wurde.

Die starre Dreijahresfrist stieß sofort auf rechtliche Bedenken: Die Regelung benachteiligte lediglich freiwillig Versicherte mit Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Bei Selbständigen mit Einkommen oberhalb dieser Grenze hatte die verspätete Vorlage des Einkommensteuerbescheids keine Konsequenzen, da ohnehin eine Verbeitragung zum Höchstsatz erfolgte. Dies verstieß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Offenbar hat auch der Gesetzgeber dies erkannt und nachgebessert: Die seit dem 16.12.2023 gültige Fassung des § 240 SGB V sieht vor, dass eine Festsetzung auf Antrag zu korrigieren ist, wenn freiwillig Versicherte innerhalb von zwölf Monaten nachweisen, dass ihr Einkommen tatsächlich geringer war.

Laufende Widerspruchs- und Klageverfahren wurden aufgrund der absehbaren Gesetzesänderung ruhend gestellt und können nun wieder aufgenommen werden. Eine unkomplizierte Korrektur zugunsten der Widerspruchsführer und Kläger ist zu erwarten.

Die Neuregelung gilt auch rückwirkend, sodass zahlreiche bereits ergangene Bescheide korrigiert werden können, selbst wenn nach Bekanntgabe versäumt wurde, den Rechtsweg zu beschreiten. Betroffene sollten nun aktiv werden, ihre ergangenen Beitragsbescheide überprüfen (lassen) und bei Bedarf einen Antrag auf erneute Festsetzung der Beiträge stellen.

Jannis Wirth
Rechtsanwalt
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart

Kategorie: Allgemein