Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die im März 2022 abgehaltene Betriebsratswahl bei dem Sportwagenhersteller mit Sitz in Zuffenhausen für unwirksam erklärt.
Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2023, gerichtliches Aktenzeichen: 21 BV 54/22
Der Sportwagenhersteller unterhält unter anderem einen Produktions- und Verwaltungsstandort in Zuffenhausen sowie ein Entwicklungszentrum in Weissach. Die Betriebsratswahl war durch mehrere wahlberechtigte Arbeitnehmer angefochten worden. Die Wahl fand in der Zeit von 14.03.2022 bis 18.03.2022 an verschiedenen Standorten mittels Listenwahl statt. Unter anderem wurde die Wahl auch am Standort Leipzig abgehalten, ca. 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren dort zur Wahl aufgerufen. Für die Zuständigkeit des Betriebsrats haben die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag gemäß § 3 des Betriebsverfassungsgesetzes geschlossen.
Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, dass die tarifliche Regelung gegen § 4 des Betriebsverfassungsgesetzes verstoße und keine wirksame Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes darstelle. Diese Regelung eröffne nicht die freie Disposition über Arbeitnehmervertretungsstrukturen. Bei dem Betrieb in Leipzig ansässig um einen unselbstständigen Betriebsteil der als eigenständiger Betrieb gelten müsse.
Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam gehalten.
Bei der Wahl sei der Betriebsbegriff grob verkannt worden. Dies stelle einen groben Verstoß gegen Wahlvorschriften dar. Der Betrieb in Leipzig mit ca. 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern stelle einen selbstständigen Betrieb im Sinne von § 4 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Nach dieser Vorschrift gelten Betriebsteile als selbstständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 BetrVG erfüllen und räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Der Standort Leipzig sei in diesem Sinne weit vom Hauptbetrieb entfernt. Nach Sinn und Zweck der Norm sei nicht allein auf die Kilometer Entfernung abzustellen, sondern darauf, ob die Betreuung der Arbeitnehmer gewährleistet sei. Es gehe also darum, eine sachgerechte Vertretung der Arbeitnehmer des Betriebsteil durch den beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat zu gewährleisten. Dabei sei die Erreichbarkeit des im Hauptbetrieb bestehenden Betriebsrats per Post, Telefon oder moderner Kommunikationsmittel nicht entscheidend. Abzustellen sei allein auf die räumliche Entfernung. Dadurch werde eine jederzeitige persönliche Erreichbarkeit des Betriebsrats für die Arbeitnehmer gewährleistet. Für die Erreichbarkeit sei nicht auf die ungünstigsten Verkehrssituationen, sondern auf die regelmäßigen Verkehrsverhältnisse abzustellen.
Das Arbeitsgericht geht weiter davon aus, dass der mit der Gewerkschaft geschlossene Tarifvertrag, nach dem der Betriebsteil in Leipzig in die Zuständigkeit des Betriebsrats hineingenommen werden sollte, nicht zu einer wirksamen Erfassung des Standortes Leipzig geführt habe. Die Wahl der Betriebsräte erfolge grundsätzlich in den Betrieben im Sinne von § 1 des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Möglichkeit einer vom Gesetz abweichenden Ausgestaltung der Repräsentationsstrukturen für Arbeitnehmer sei den Tarifvertragsparteien nur in den Fällen von § 3 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes erlaubt. Die Voraussetzung hierfür lägen aber konkret nicht vor. Die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen sei nämlich durch die Einbeziehung des räumlich weit entfernten Betriebsteils in Leipzig nicht besser geeignet als die gesetzlich vorgesehene örtliche Vertretung.
Auswirkungen auf die Praxis:
Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte bereits im Jahr 2018 in einem ähnlichen Fall eine Betriebsratswahl bei einem Automobilhersteller im Stuttgarter Raum für unwirksam erklärt. Dieser hatte bei der Betriebsratswahl in seiner Zentrale auch ein Schulungszentrum im Schwarzwald mit wählen lassen.
Gegen die vorgenannte Entscheidung des Arbeitsgerichts im Fall des Sportwagenherstellers ist noch die Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg möglich.
Dr. Bert Howald
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB