Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Ralf Baur berichtet über eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten (BAG v. 01.03.2022 – 9 AZR 260/21).
Worum ging es in diesem Fall?
Die Parteien des Rechtsstreits stritten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Die Arbeitgeberin betrieb eine Rehaklinik. Die Arbeitnehmerin arbeitete dort als Altenpflegerin. Im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit hat die Arbeitnehmerin eine Fortbildung zu einer „Fachtherapeutin“ gemacht. Die Kosten der Fortbildung hat die Arbeitgeberin übernommen. Die Arbeitnehmerin musste im Gegenzug dafür eine von der Arbeitgeberin formularmäßig vorformulierte Rückzahlungs-vereinbarung abschließen. Danach musste die Arbeitnehmerin die von der Arbeitgeberin verauslagten Rückzahlungskosten u.a. dann zurückzahlen, wenn sie aufgrund einer Eigenkündigung, ohne dass hierfür ein vom Arbeitgeber zu vertretender Grund vorlag, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
Die Arbeitnehmerin konnte aus gesundheitlichen Gründen nach Abschluss der Fortbildung gar nicht mehr arbeiten und hat deshalb das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Die Arbeitgeberin verlangte dann von der Arbeitnehmerin aufgrund der Eigenkündigung, die die Arbeitgeberin nicht verursacht hatte, eine Rückzahlung der Fortbildungskosten.
Wie entscheidet das Bundesarbeitsgericht?
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Arbeitgeberin in diesem Fall trotz der von ihr verwendeten Rückzahlungsvereinbarung kein Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten hat. Die Rückzahlungsverpflichtung sei in diesem Fall nicht wirksam vereinbart. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Rückzahlungsvereinbarung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam war, weil sie die Arbeitnehmerin unangemessen benachteiligt hat.
Zwar ist es grundsätzlich für einen Arbeitgeber möglich, einen Arbeitnehmer im Falle einer von diesem selbst veranlassten vorzeitigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu beteiligen.
Dies gilt aber nicht, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage ist, die Qualifikation, die er mit der vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu nutzen. Dabei ist zu beachten, dass auch der Arbeitgeber unabhängig von der Kündigung des Arbeitnehmers dessen durch die Fortbildung erreichte Qualifikation aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers nicht mehr nutzen kann.
Vereinfacht gesagt: Der Arbeitgeber hat nichts davon, wenn er den Arbeitnehmer länger an dem Arbeitsverhältnis festhält, da der Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten kann und somit weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Vorteile von der Fortbildung haben.
Dem Arbeitgeber wäre es auch ohne Weiters möglich gewesen, in seiner Rückzahlungsvereinbarung die Fälle einer unverschuldeten Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers von der Rückzahlungs-verpflichtung durch eine entsprechende Gestaltung der Vertragsklausel auszunehmen.
Auswirkungen auf die Praxis:
Arbeitnehmer, die mit ihrem Arbeitgeber eine Rückzahlungsvereinbarung bezüglich Fortbildungskosten abgeschlossen haben und einer Rückzahlungsforderung durch Ihren Arbeitgeber ausgesetzt sind, sollten in jedem Fall rechtlich prüfen lassen, ob sie tatsächlich zur Rückzahlung verpflichtet sind. In vielen Fällen – wie auch im oben dargestellten Fall – ist eine solche Rückzahlungsklausel unwirksam und die Rückzahlungsverpflichtung besteht tatsächlich nicht.
Für Arbeitgeber haben sich die Möglichkeiten, eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung abzuschließen, nochmals erschwert. Es wird immer schwieriger, eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung zu formulieren. Vor Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung sollten Arbeitgeber deshalb anwaltlichen Rat einholen, um nicht im Nachhinein erfahren zu müssen, dass ihr Rückzahlungsanspruch trotz vereinbarter Rückzahlungsklausel nicht besteht und sie die Fortbildungskosten aus ihrer Sicht „umsonst“ aufgewendet haben.
Dr. Ralf Baur
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart