Im Jahr 2023 hatte das Amtsgericht Stuttgart über die Wirksamkeit einer vermieterseitigen fristlosen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung zu entscheiden, die mit der Störung des Hausfriedens sowie der erleichterten Kündigungsmöglichkeit nach § 573a BGB begründet wurde.
(AG Stuttgart, Urteil vom 21.03.2023, Az. 31 C 4334/22)
Hintergrund:
Die Vermieter verlangten nach Ausspruch einer Kündigung Räumung und Herausgabe von den durch unsere Kanzlei vertretenen Mietern. Die Vermieter bewohnten die Wohnung im ersten Obergeschoss, die Mieter die im Erdgeschoss des selben Gebäude gelegenen Wohnung. Daneben gab es eine weitere separate Wohnung im Dachgeschoss des Gebäudes, die durch die Vermieter als Büro bzw. Atelier verwendet wurde. Gestützt wurde die fristlose Kündigung auf die Behauptung, die Mieter hätten die Vermieter im gemeinsamen Treppenhaus beleidigt und tätlich angegriffen. Hilfsweise wurde die ordentliche Kündigung auf § 573a BGB gestützt, welcher eine erleichterte Möglichkeit zur Kündigung für einen Vermieter vorsieht, soweit Mieter und Vermieter gemeinsam ein Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen bewohnen.
Die Mieter bestritten die Vorwürfe und argumentierten, dass weder Beleidigungen noch tätliche Angriffe stattgefunden hätten. Daneben würden sich im Gebäude mehr als zwei Wohnungen befinden, weshalb der Kündigungstatbestand des § 573a BGB nicht greife.
Die Entscheidung:
Das Gericht gab den Mietern vollumfänglich recht und wies die Räumungsklage ab. Die behauptete Störung des Hausfriedens konnte von den Vermietern nicht nachgewiesen werden. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass die Vermieter selbst Anlass für die Störung des Hausfriedens gegeben haben, weshalb das Berufen auf eine etwaige Störung ausgeschlossen sei. Darüber hinaus wäre vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen, was vorliegend jedoch nicht geschah. Auch auf die hilfsweise ausgesprochene erleichterte Kündigung im Sinne des § 573a BGB können sich die Vermieter nicht berufen. Vorliegend befanden sich mit der im Dachgeschoss befindlichen Wohnung unstreitig drei getrennte Wohnungen im Gebäude. Bei der Beurteilung, ob § 573a BGB einschlägig ist, komme es nicht auf die Anzahl der Parteien oder die Nutzung der Wohnungen an, sondern allein auf deren tatsächlichen Anzahl im Gebäude. Diese Voraussetzung wurde vorliegend nicht erfüllt, weshalb das Mietverhältnis nicht wirksam beendet werden konnte.
Bedeutung für die Praxis:
Möchten sich Vermieter zum Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung auf die Störung des Hausfriedens berufen, so muss diese Störung nachhaltig und insgesamt vom Vermieter zu beweisen sein. In der Praxis bietet es sich demnach an, etwaige Störungen eines Mieters detailliert zu protokollieren und Zeugen zu benennen, welche die Störung bestätigen können. Unter Umständen muss der Mieter vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt werden.
Die erleichterte Kündigung nach § 573a BGB ist grundsätzlich dann anwendbar, wenn Vermieter und Mieter gemeinsam im selben Haus leben, in welchem sich lediglich diese zwei Wohnungen befinden. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann ein Vermieter das Mietverhältnis ohne Angabe eines berechtigten Interesses kündigen, also auch dann, wenn es zwischen den Parteien zu keinerlei Auseinandersetzung kam. Zu beachten ist dabei, dass sich in diesem Fall die Kündigungsfrist um drei Monate verlängert. Mieter, die in ein solches Gebäude einziehen, sollten diese Kündigungsmöglichkeit unbedingt kennen.
Vermietern ist zu empfehlen, vor Ausspruch der Kündigung zu überprüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen. Andernfalls führt dies unvermeidbar zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Jasmin Bäumle-Piscopiello
Rechtsanwältin
Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart