Von: Dr. Sven Bornefeld 25. Februar 2022

Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit einem aktuellen Beschluss des KG (Beschl. v. 05.07.2021 – 1 W 26/21) im Zusammenhang mit der Reichweite der rechtlichen Befugnisse eines Prokuristen.

Einführung

Die Prokura kann nur von Kaufleuten erteilt werden. Sie wird mitunter als „zweites Ich“ des Kaufmanns bezeichnet. Die Prokura stellt die umfassende handelsrechtliche Vertretungsbefugnis dar. Sie ermächtigt nach § 49 HGB im Außenverhältnis gegenüber Dritten zu allen Arten von Rechtsgeschäften, welche mit dem Betrieb eines Handelsgewerbes einhergehen. Die Norm klammert allerdings mit § 49 Abs. 2 HGB sog. „Grundstücksgeschäfte“ von der Befugnis des Prokuristen aus – dazu gehören insbesondere die Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Hierzu müsste der Prokurist vom Kaufmann gesondert ermächtigt werden. Erteilung und das Erlöschen der Prokura sind im Handelsregister anzumelden. Solange die Eintragung besteht, kann der Prokurist im Außenverhältnis mit sämtlichen Befugnissen tätig werden, selbst dann, wenn diese im Innenverhältnis erloschen ist, z.B. durch Kündigung des Dienstvertrages mit dem Prokuristen.

Problemstellung

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein für einen Testamentsvollstrecker tätiger Prokurist ohne gesonderte im Handelsregister eingetragene Ermächtigung versucht, in das Grundbuch eine (grundstückbelastende) Auflassungsvormerkung für ein Nachlassgrundstück eintragen zu lassen.

Das Grundbuchamt hatte schließlich den Eintragungsantrag beanstandet mit dem Argument, dass der Prokurist laut Handelsregister nicht zur entsprechenden Vertretung des Testamtsvollstreckers bei Grundstücksgeschäften ermächtigt sei.

Das KG hatte nun zu entscheiden, ob die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht bezüglich von Grundstückgeschäften nach § 49 Abs. 2 HGB auch dann greift, wenn der Prokurist des Kaufmannes nicht über ein Grundstück des Kaufmannes verfügt, sondern (fremdbezogen) über ein nachlassbezogenes Grundstück.

Wie positionierte sich das KG?

Das KG warf zunächst die Frage auf, ob die Beschränkung des § 49 Abs. 2 HGB nur in Bezug auf eigenen Grundbesitz des Kaufmannes gelte oder generell – mithin in Bezug auf den verwalteten Nachlass eines Dritten.

Es führte aus, dass in Rechtsprechung und Literatur zum Teil argumentiert werde, dass § 49 Abs. 2 HGB nur den Schutz des von einem Kaufmann betriebenen Handelsgeschäfts bezwecken soll, die Gegenmeinung hingegen darauf abstelle, dass § 49 Abs. 2 HGB wörtlich zu verstehen sei und auch für Grundstücksgeschäfte im fremden Wirkungskreis Geltung beanspruche.

Das KG hat sich der letzten Auffassung angeschlossen.

Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB bestehe unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist oder nicht. Richtig sei, dass § 49 Abs. 2 HGB dem Schutz des Kaufmannes diene mit Blick auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung von Grundstückgeschäften. Dieser Aspekt greife aber nicht nur bei Grundstücken, die im Eigentum des Kaufmannes stehen. Denn auch bei fremdbezogenen Geschäften könne die Tätigkeit des Prokuristen erhebliche Folgen (z.B. hohe Haftungsrisiken) für den Kaufmann haben.

Die Vorschrift sei auch nicht im Lichte einer eingeschränkten Auslegung („teleologische Reduktion“) zu interpretieren. Denn hierfür bestehe kein praktisches Bedürfnis. Der Kaufmann könne den Prokuristen schließlich nach § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken gesondert ermächtigen und ihm hierfür entsprechende Vollmacht erteilen.

Auswirkungen auf die Praxis:

Veräußert und belastet ein nicht gesondert befugter Prokurist ein Grundstück, ist das Geschäft schwebend unwirksam. Es kann aber im Nachgang vom Kaufmann genehmigt werden. Wird die Genehmigung nicht erteilt, können Schadensersatzrisiken entstehen. Daher sollte sich ein Prokurist, der im fremden Rechtskreis Grundstücksgeschäfte erledigen soll, dafür speziell bevollmächtigen lassen, entweder für den Einzelfall oder mit einer generellen Vollmacht für Grundstückgeschäfte („Immobiliarklausel“).

Sven Bornefeld

Rechtsanwalt

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart

Kategorie: Allgemein