Von: Dr. Nikolas Hölscher 8. Mai 2023

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich seit Anfang der 2000-Jahre ein dogmatisches Prüfungssystem für die Prüfung der Wirksamkeit von Eheverträgen herausgebildet.

In einem ersten Prüfungsschritt wird die Wirksamkeit des Ehevertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf seine mögliche Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls überprüft. Bei Zusammentreffen objektiver einseitiger Lastenverteilung und subjektiver Imparität der Vertragsschließenden, kann der Ehevertrag ganz oder teilweise nichtig sein. Inwieweit bei Annahme nichtiger Vereinbarungen der Restbestand des Vertrages durch sog. salvatorische Klauseln abgesichert werden kann, ist nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Jedenfalls wenn eine salvatorische Klausel einzig und allein dazu dient, einen objektiv einseitigen Ehevertrag geltungserhaltend zu reduzieren, kann auch die salvatorische Klausel für sittenwidrig erachtet werden und nichtig sein (vgl. zum Ganzen ausführlich Hölscher, NJW 2016, 3057 ff).

Soweit ein Ehevertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht sittenwidrig war, kommt es in einem zweiten Prüfungsschritt zur sog. Ausübungskontrolle. Bei dieser wird überprüft, ob es dem begünstigten Ehegatten unter Gesichtspunkten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt ist, sich auf die vertraglichen Regelungen zu berufen. Zugleich kann unter Gesichtspunkten der Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des nicht mehr durchsetzbaren Ehevertrags erfolgen (§ 313 BGB). Wie eine Anpassung im Rahmen der Ausübungskontrolle durch den Familienrichter umgesetzt wird, sorgte viele Betroffene. Für diese ist eine sich in Rechtsprechung und Literatur (vgl. zuletzt Kammergericht, Beschl. v. 28.06.2022 – 13 UF 124/17) durchsetzende Erkenntnis von besonderer Bedeutung: Namentlich der Umstand, dass der Familienrichter bei der Anpassung nicht eine beliebige Rechtsfolge anordnen kann, welche nach seinem Dafürhalten unter Gesichtspunkten von Treu und Glauben zur Vertragsanpassung angemessen ist. Der Familienrichter hat vielmehr bei einer entsprechenden Ausübungskontrolle den Ausgleich möglicher ehebedingter Nachteile im Blick zu haben. An einem Beispiel erläutert:

Eine güterrechtliche Regelung wäre anzupassen.

Kann der Familienrichter nun bestimmen, dass das Güterrecht einfach nach den gesetzlichen Bestimmungen der Zugewinngemeinschaft abgehandelt werden soll? Die Antwort lautet: Nein. Denn im Rahmen der Ausübungskontrolle hat der Familienrichter den Fokus auf ehebedingte Nachteile auszurichten. Es wäre mithin zu überprüfen, welche Sparmöglichkeiten zum Vermögensaufbau, der durch die anzupassende Regelung benachteiligte Ehegatte ohne die Eheschließung gehabt hätte. Wenn beispielsweise ein Ehegatte aufgrund Kinderbetreuung seine Erwerbstätigkeit eingestellt hat, könnte im Wege der Ausübungskontrolle als Obergrenze nur der Betrag geschuldet sein, den dieser Ehegatte ohne die Eheschließung hätte ansparen können. Das kann für den Betroffenen einen erheblichen wirtschaftlichen Unterschied ausmachen.

Dr. Nikolas Hölscher
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Familienrecht

Kategorie: Allgemein