Eine wesentliche Voraussetzung für die Eintrittspflicht eines privaten Krankenversicherers ist, dass die Maßnahme, die zu bezahlen ist, medizinisch notwendig war. Problematisch ist, dass nicht der behandelnde Arzt abschließend entscheidet, was medizinisch notwendig ist, sondern im Streitfall ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger.
Um zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer / Patient Leistungen des Arztes in Anspruch nimmt und der Versicherer später die medizinische Notwendigkeit in Abrede stellt, bestehen Auskunfts- und Feststellungsansprüche des Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer. Macht der Versicherungsnehmer im Vorfeld einer Behandlung nicht von diesen Ansprüchen Gebrauch, so besteht die Gefahr, dass er auf den Behandlungskosten sitzen bleibt, wenn die medizinische Notwendigkeit in einem Prozess von einem Sachverständigen verneint wird.
Trotz der Tatsache, dass die medizinische Notwendigkeit für Behandlungsmaßnahmen nicht bestand, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe nunmehr entschieden (Urteil vom 02.02.2023 – 12 U 194/22) dass unter engen Voraussetzungen auch eine Vertrauenshaftung zugunsten des Versicherungsnehmers Anwendung finden kann.
Im Fall der zu entscheiden war, hatte der Versicherer über einen erheblichen Zeitraum Behandlungsmaßnahmen aufgrund einer Erkrankung bezahlt. Plötzlich hielt er – nachdem Folgebehandlungen durchgeführt worden waren – diese nicht mehr für medizinisch notwendig und bekam von einem gerichtlichen Sachverständigen Recht. Dennoch – so das Oberlandesgericht Karlsruhe – muss der Versicherer bezahlen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe begründet dies mit einer nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anzuwendenden Vertrauenshaftung, die im vorliegenden Fall bei Abwägung aller Interessen und Berücksichtigung aller Umstände zu Gunsten des Versicherungsnehmers ausfiel.
Obschon grundsätzlich einmal bewilligte Maßnahmen nicht fortlaufend erstattet werden müssen, weil sich die gesundheitliche Situation und die Erforderlichkeit von Behandlungsmaßnahmen verändern können, kam das Oberlandesgericht in diesem Einzelfall zu einer Zahlungspflicht des Versicherers. Vor diesem Hintergrund lohnt stehts auch die Frage, ob neben der medizinischen Notwendigkeit auch Erstattungen in der Vergangenheit vorliegen, die – wenngleich im Ausnahmefall – zu einer Zahlungspflicht des Versicherers führen können.
Peter Walter
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht